Ein fliehendes Pferd von Martin Walser

Martin Walser - Ein fliehendes Pferd
Martin Walser – Ein fliehendes Pferd

“Ein fliehendes Pferd” und ich. Es war schon immer eine Ahnung, dass ich eines Tages mal einen Roman von Martin Walser lesen würde. In der Vergangenheit habe ich mich da nicht wirklich ran getraut. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich eher ein Interesse für die öffentliche Person Walser hatte, als für den Schriftsteller Walser.

Die ganze Nummer mit der Auschwitz Diskussion und der mörderische War of Words mit Marcel Reich Ranicki in den Bleiwüsten deutscher Feuilletons hat mich wahrscheinlich davon abgehalten einen Roman oder ähnliches von Martin Walser zu lesen.

Martin Walser – mein Studienrate im Geiste

Martin Walser ist für mich immer so was, wie das Sinnbild eines alten Studienrates. Ich will jetzt niemanden zu nahe treten. Aber das waren meine bisherigen Gedanken, wenn ich ihn spazierend durch das Fernsehen sah. Einen schönen Hut auf und einen Mantel an und schon ist man fertig für den malerischen Herbstspaziergang.

Klischees können schon was wunderbares sein. Was ich immer schon mochte, war seine sonore Stimme, die Vertrauen gepaart mit Intensität ausstrahlte. Es war eine wunderbare Sache zum Beispiel ein Hörbuch, wie Dichterstimmen, mit Walsers Stimme zu hören.

“Das fliehende Pferd” kam aus seiner Laune heraus zu mir nach Hause. Ich suchte einfach mal einen Einstieg in das umfangreiche Werk des Schriftstellers. Ein Anfall von Sparsamkeit überfiel mich und so bestellte ich einfach “Das fliehende Pferd”, da es mit 6,00 Euro einen für mich attraktiven Preis hatte.

Worum dreht sich alles hier beim “Fliehenden Pferd”?

Es ist eine Geschichte, die wahrscheinlich schon mal jedem so in einem Ansatz passiert ist oder vielleicht passieren wird. Es gibt ein nichtgewolltes Wiedersehen mit Menschen, die man in der Schulzeit kannte und dann ganz schnell vergessen hat, als es soweit war auf die stürmische See des Lebens hinaus zufahren.

Wir haben Helmut und Sabine und den Hund Otto. Ein Ehepaar, das seit Jahrzehnten immer in denselben Ort und dieselbe Unterkunft fährt, um die “schönsten Tage des Jahres” bei viel Wein und wenigen Gesprächen zu verbringen. Es erinnert schon ein wenig an die Geschichte des großen Genuss- und Machtmenschen aus der Pfalz, der mit seiner damaligen Frau Jahr für Jahr an denselben Ort gefahren ist.

Das Ehepaar in Walser Geschichte sitzt also in der routinierten Bewältigung des Urlaubes fest, als plötzlich und unerwartet ein Jemand aus der Vergangenheit auftaucht. Klaus Buch, ein ehemaliger Klassenkamerad von Helmut. Ein klassischer Aufschneider mit junger Freundin, alten Ansichten in Hinblick auf das Studieren von Frauen und jemand, der mit großer Freude schenkelklopfende “Gute Laune” verbreitet.

Klaus ist jemand der sein Mundwerk lose trägt und dementsprechend auch auf Helmut losgeht. Helmut will eher eine Nichtidentität haben oder um es mit großen Dichterworten von Hesse zu sagen: Helmut möchte ein Dutzendmensch sein. Da prallen natürlich zwei Weltbilder aufeinander und die alten Schulgeschichten befeuern die Situation.

Es kommt zu den berühmten verbotenen Früchten in Nachbargarten. Helmut und Sabine werden durch die beiden aus den Angeln ihres beschaulichen Weltbildes gerissen, welches exakt so beschaulich war, wie die Postkartenidylle in der sie seit Jahrzehnten ihren Jahresurlaub verbringen.

Der Klaus wühlt Helmuts Leben auf und Walser das Wasser

Klaus und seine neue Frau Hel fordern das eingerostete Ehepaar durch ihre Erscheinungsweise heraus und es kommt zu mörderischen Manövern auf dem See des Urlaubsortes. Die Symbolik des aufgewühlten Sees und des aufgewühlten Helmuts habe ich schon so verstanden, wie sie wahrscheinlich von Walser gemeint worden ist.

Es gerät ins Wanken: Das Schiff auf dem sie in der Geschichte segeln und das Schiff auf dem die beiden, Helmut und Sabine, eigentlich im seichten Wasser ihr Leben führen. Auf einmal überschlagen sich die Ereignisse und die Wellen nehmen sich Klaus und Helmut schafft es irgendwie zu überleben.

Als Klaus, der inzwischen für verstorben gehalten wird, doch wieder auftaucht, ist das Buch “Ein fliehendes Pferd” auch fast schon zu Ende.

Der Titel “Ein fliehendes Pferd” begründet sich wahrscheinlich auf eine kleine Episode in der Mitte des Buches, als Klaus (Hey! Wer sonst!) ein Pferd zum Stillstand bringt, das “durchgegangen” ist. In bester Western Manier.

Martin Walser „Ein fliehendes Pferd“ eine aufgewühlte Geschichte

Martin Walser schreibt wie die stürmische See. Und zwar, obgleich es nicht wirklich richtig ist, ohne Punkt und Komma. Zumindest hatte ich das Gefühl. Es ist rasant und die Geschichte galoppiert davon. Wie “Ein fliehendes Pferd” halt. Es war am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, dass die wörtliche Rede nicht formal abgesetzt wird.

Aber in diesem Stil ist man schnell drin und es mindert nicht den Lesefluss. Insgesamt sind die 6,- Euro gut ausgegeben und ich schaue mal, was ich mir als nächstes von Martin Walser zur Brust nehme.

Literatur von Martin Walser

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„Ein fliehendes Pferd“ gibt es natürlich auch verfilmt.
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